Digitalisierung im Bauwesen – Materialpass und Building Information Modelling

Die aus der Ökobilanz hervorgehenden Informationen können anschließend in sogenannten Materialpässen zusammen mit anderen Informationen, wie z. B. Herstellerangaben zusammengeführt werden. Die Erstellung solcher Materialpässe liefert einen Überblick sowie wichtige Informationen bzgl. der verbauten Ressourcen und deren Wert im Gebäude. Daher sollte bereits in der Planungsphase einer Gebäudeerrichtung oder -sanierung der gesamte Lebenszyklus von der Herstellung über die Nutzung bis hin zum Rückbau berücksichtigt werden.

Eine große Herausforderung besteht diesbezüglich in der Bewertung der zirkulären Potenziale des Gebäude- oder Bauteilbestandes. Die Gebäude bzw. deren Bauteile wurden bereits errichtet – meist jedoch ohne Bestreben, einen möglichst sortenreinen Rückbau zu gewährleisten. So müssen Methoden mit unterschiedlichen Ansätzen entwickelt und angewendet werden, um Recyclingpotenziale zu erkennen, zu qualifizieren sowie zu quantifizieren. In der Praxis werden dabei genaue Analysen von Bauplänen und Dokumentationen v. a. der Baubeschreibung und der Ausführungsplanung und ggf. umfangreiche Gebäudebegehungen (u. U. auch Bohrkernprobeentnahmen, Bauteilfreilegungen etc.) erforderlich. Ein weiteres Problem sind Schadstoffe im Rückbau. Wird dieser damit kontaminiert, führt das meist zu schlechteren Recyclingquoten.1

Hinzu kommt, dass gleichzeitig Hemmnisse, welche die Entwicklung und Verbreitung verschiedener Ansätze des zirkulären Bauens erschweren, bestehen. Neben Bauvorschriften, fehlenden Anreizen zur Nutzung von Recyclingbaustoffen und fehlenden Standards steht auch die Haftungsfrage bei der Nutzung von Recyclingbaustoffen und der Wiederverwendung von Baumaterialien im Raum. Während in der EU-Bauprodukte-Verordnung bereits Anforderungen an Bauwerke hinsichtlich der Recyclingfähigkeit, der Langlebigkeit sowie der Umweltverträglichkeit bestehen, sind in den nationalen Normwerken (DE) solche Kriterien bislang nicht fest verankert. Zudem fehlen großflächige Erfahrungen hinsichtlich des Einsatzes von Sekundärbaumaterialien.

In Zukunft wird jedoch durch den Einsatz digitaler Werkzeuge wie dem Building Information Model (BIM) oder Materialpässen der Bausektor zunehmend digitalisiert werden, wodurch die prozessübergreifende Planung erleichtert wird. Dadurch wird bspw. auch die Planung mit wiederverwendbaren Materialien aus dem Rückbau einfacher.

Auch Abbruchtechniken, welche bislang aus meist wirtschaftlichen Gründen auf Schnelligkeit und geringen Personaleinsatz ausgerichtet waren, werden sich aufgrund der strengeren Trennvorschriften der novellierten Gewerbeabfallverordnung und tendenziell steigenden Entsorgungskosten mutmaßlich in Richtung selektivem Rückbau entwickeln. Für heutige Neubauvorhaben bedeutet dies, dass eine leichte Trennbarkeit durch lösbare Verbindungstechniken und der Einsatz recyclingfähiger Baustoffe zukunftsweisend ist.2

Praxisbeispiel

Die folgende Abbildung bietet eine Übersicht über das als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) geplante und mittlerweile sanierte Altbestandsgebäude mit der Nummer 49 des ehemaligen Pfaff-Geländes. Diese ist als Sankey-Diagramm konzipiert und zeigt die graue Energie der Baustoffe, der Sanierung sowie tragender Bestandskomponenten aus Beton von außen (Baumaterialien) nach innen hin (Bauteile). Die verschiedenen verwendeten Baustoffe sind dabei umso intensiver farblich sichtbar (Breite der farbigen Linien bzw. Pfeile), je größer sich deren Anteil an der grauen Energie am Gebäude darstellt.

Graue Energie der Baumaterialien des MVZ (Quelle: IfaS; Grafik erstellt mit UMBERTO 11).

Hier wird erkennbar, dass auch Baustoffe oder Bauteile, welche nur einen geringen oder gar marginalen Massenanteil an der Gebäudesanierung haben, bei einer Betrachtung der grauen Energie sehr wohl ins Gewicht fallen. Gute Beispiele dafür sind die Außenfenster, bestehend aus Fenster- und Blendrahmen sowie 3-Fach-Glas oder die Außentüren (siehe Abbildung oben Mitte bis oben rechts).

Auch Dämmstoffe aus künstlichen Polymeren (z. B. PU-Dämmplatten) oder Abdichtungen aus Bitumen haben i. d. R. kaum nennenswerte Auswirkungen auf die Gebäudemasse. Im Rahmen der Betrachtung der grauen Energie werden diese jedoch relevant und sichtbar (grün bzw. schwarz gefärbte Sankey-Linien).

Beton (in der Abbildung als dunkelgraue Sankey-Linien dargestellt) hingegen ist bei einer Massebetrachtung aufgrund der hohen eingesetzten Baumasse ein sehr dominanter Baustoff. Da der spezifische Wert an einzusetzender grauer Energie für Beton jedoch durchaus im Rahmen liegt, verändert sich seine Präsenz in der Sankey-Darstellung der grauen Energie nur unwesentlich. Fassadenklinker (orange gefärbte Sankey-Linien) erreicht hier höhere Werte und stellt sich auf den ersten Blick energetisch gesehen kritischer dar. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die graue Energie von Ziegeln und Ziegelklinkern primär auf den energieintensiven Herstellungsprozess (Brennvorgang) zurückzuführen ist. Auch beim Beton ist ein wesentlicher Anteil der grauen Energie auf den Energieeinsatz für das Brennen des Betonklinkers zurückzuführen; hierbei entstehen zwei Drittel der CO2-Emissionen aufgrund der chemischen Umwandlung von kohlensaurem Kalk bzw. Calciumcarbonat (CaCO3) zu Calciumoxid bzw. Branntkalk (CaO) und CO2.

Während bei einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energie der fossile Anteil der grauen Energie bei der Herstellung von Ziegeln und Klinker gegen Null tendieren würde, wäre somit beim Beton nur eine maximale Einsparung um ein Drittel zu erreichen.

  1. Dr. Rosen, A. (2021), S. Kap. 5.1. Urban Mining Index – Entwicklung einer Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Neubauplanung. ↩︎
  2. Dr. Rosen, A. (2021), S. Kap. 3.6. Urban Mining Index – Entwicklung einer Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Neubauplanung. ↩︎
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