Im Zuge des Verbundvorhabens „EnStadt:Pfaff“, welches ein klimaneutrales, energie- sowie ressourcensparendes Wohn-, Gewerbe- und Technologiequartier entwickelt, wird auch das denkmalgeschützte Gebäude des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) gefördert und zu einem KfW-Effizienzhaus 70 saniert. Die Einbindung dieses denkmalgeschützten Gebäudes in das Energieversorgungssystem des Pfaff-Geländes und die Herausforderung, dieses Gebäude unter den Vorgaben des Denkmalschutzes möglichst energieeffizient zu sanieren, veranlasste das „Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS)“, einen Leitfaden über das Sanieren von denkmalgeschützten Gebäuden zu verfassen.

Das künftige MVZ ist das ehemalige „Neue Verwaltungsgebäude“ der Nähmaschinenfabrik Pfaff. Es wurde vom Architekten Fritz Seeberger geplant, in den Jahren 1955 – 1958 errichtet und 2016 unter Denkmalschutz gestellt. Dabei ist das Erscheinungsbild der Fassaden denkmalgeschützt; die Innenraumgestaltung unterliegt bis auf eine geschwungene Treppe jedoch keinerlei Vorgaben.

Die moderne Betonskelettbauweise mit der typischen Klinkerverkleidung und den durchgehenden Glasfronten ist kennzeichnend für die Architektur der 50er-Jahre.

Durch einen Brandschaden mussten Teile des Gebäudes abgerissen werden. Die Anforderungen an die Gebäudehülle im Zuge des Wiederaufbaus kommen einem Neubau gleich und unterliegen daher nicht dem Denkmalschutz. In der folgenden Abbildung ist über einen Schieberegler die Nordansicht des Gebäudes aus den 50er-Jahren und im März 2024 zu sehen.

Links: Historisches Bild des Neuen Verwaltungsgebäudes der Firma Pfaff. Ansicht von Norden. (Quelle: Stadt Kaiserslautern)
Rechts: Neues Verwaltungsgebäude der Firma Pfaff. Ansicht von Norden, im März 2024. (Quelle: IfaS)

Der Leitfaden greift die Fragestellungen der energetischen Sanierung der einzelnen Bauteile der Gebäudehülle sowie der Anlagentechnik in der Theorie und anhand von Beispielen auf. Konkrete Praxisbeispiele werden anhand der tatsächlichen Umsetzung der Einzelmaßnahmen am MVZ gegeben.

Die Sanierung des Gebäudes wurde in den Jahren 2018 und 2019 durch das IfaS konzipiert. Zu diesem Zeitpunkt waren die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) 2011 und das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) 2013 die rechtliche Grundlage zur Erfüllung der Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden und der Nutzung erneuerbarer Energien. Diese drei Gesetze wurden 2020 im Gebäudeenergiegesetz (GEG) zusammengeführt. Um den Leitfaden nicht auf veralteten Verordnungen aufzubauen, wurden alle Kennwerte im Leitfaden auf das GEG 2020 bezogen.

Es soll erwähnt sein, dass die praktische Sanierungsphase des Gebäudes zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Leitfadens noch nicht vollständig abgeschlossen war.

Wie auch das Gesamtprojekt „EnStadt:Pfaff“ wurde der Leitfaden aus Mitteln der Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“ der Förderbekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) / Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom 1. April 2016, Modul II: „Energieeffiziente Stadt, Leuchtturmprojekte – Reallabor Quartier“ finanziert.

Gebäudesteckbrief

Das „Neue Verwaltungsgebäude“ des ehemaligen Pfaff-Werkes wurde vom Architekten Fritz Seeberger geplant und als Nachkriegsbau von 1955 – 1958 errichtet. Die Vierflügelanlage in Stahlbetonskelettbauweise wurde mit einer Klinkerfassade verkleidet. Die Fassaden mit großem Fensterflächenanteil und schmalen Fensterrahmen sind prägend für das äußere Erscheinungsbild. „Dieses Erscheinungsbild steht zusammen mit dem repräsentativen Treppenhaus und der zugehörigen Werkstoranlage mit beidseitigem Anbau, welches auf den folgenden Aufnahmen abgebildet ist, seit 2016 als bauliche Gesamtanlage unter Denkmalschutz.“

Links: Historisches Bild des Neuen Verwaltungsgebäudes und der Werkstoranlage der Firma Pfaff. Ansicht aus Süd-Ost. (Quelle: Stadt Kaiserslautern)
Rechts: Neues Verwaltungsgebäude und Werktoranlage der Firma Pfaff, Ansicht aus Süd-Ost, im März 2024. (Quelle: IfaS)

Das Unternehmen Pfaff war Mitte der 1950er-Jahre in der Stadt Kaiserslautern mit bis zu 7.000 Mitarbeitenden ein bedeutender Arbeitgeber. Es wurden Industrie- und Haushaltsnähmaschinen gebaut und weltweit vermarktet. Im Jahre 1999 musste die Pfaff Industriemaschinen AG ein erstes Mal Konkurs anmelden. Das Areal des Unternehmens grenzt westlich direkt an die Innenstadt an und ist mit ca. 20 ha eine bedeutende Fläche für die Stadtentwicklung. Im Zuge der Neugestaltung des Geländes wird auch das neue Verwaltungsgebäude saniert und zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) umgebaut. Der Gebäudekomplex mit ca. 16.000 m² Brutto-Grundfläche (BGF) ist in der Bevölkerung auch als Seeberger Bau, benannt nach dem Architekten Fritz Seeberger, bekannt.

Hürden und Zwangspunkte bei der energetischen Sanierung des Gebäudes

Das „Neue Verwaltungsgebäude“ des ehemaligen Pfaff-Werkes wird zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) umgebaut und in diesem Zuge auch energetisch saniert. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, sodass die Anforderungen des GEG 2020 (bzw. der EnEV 2014) nur dann eingehalten werden müssen, wenn diese mit den Anforderungen des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen sind. Der Denkmalschutz ist ein höherwertiges Schutzziel als die Erfüllung der Anforderungen des GEG.

Planungsziel war jedoch, ein möglichst energieeffizientes Gebäude im Einklang mit dem Denkmalschutz zu schaffen und eine finanzielle Förderung für die energetischen Sanierungen über die KfW zu erhalten. Je besser das Gebäude energetisch saniert wird, desto höher fallen die Zuschüsse der KfW aus. Der Mindestbaustandard, der erreicht werden musste, war der KfW-Standard „Denkmal“. Die Obergrenze des Primärenergiebedarfs liegt bei diesem Gebäudestandard bei 160 % eines vergleichbaren Neubaus. Im Zuge des Planungsprozesses wurde mit einer thermischen Gebäudesimulation der Standard „KfW-Effizienzhaus 70“ erreicht und von Seite der Investoren als energetisches Ziel der Sanierung definiert. Das Gebäude wird somit nach der Sanierung nur 70 % des Primärenergiebedarfes eines vergleichbaren Neubaus verbrauchen, was für ein denkmalgeschütztes Gebäude ein beachtliches Ergebnis darstellt.

Für dieses gute Ergebnis sind folgende Maßnahmen von entscheidender Bedeutung:

  • Der Innenhof wurde mit einer Holz-Glas-Konstruktion überdacht. Hierdurch wurde die große Außenoberfläche der Wände des Innenhofes zu Wänden eines unbeheizten Raumes, welcher wesentlich wärmer als die Außenluft ist. Die Vierflügelanlage wurde somit zu einem kompakten Baukörper mit einem geringeren A/Ve-Verhältnis. Das A/Ve-Verhältnis verbesserte sich durch diese Maßnahme von 0,31 auf 0,22.
  • Die neuen Fenster haben einen sehr guten Ug-Wert i. H. v. 0,89 W/(m²K), was bei einem Fensterflächenanteil von 40 % der Fassade einen sehr großen Einfluss hat. (siehe: Fenster)
  • Alle Dächer wurden erneuert und erfüllen mit einem U-Wert von 0,11 W/(m²K) den Passivhausstandard.
  • Das Gebäude wird über die Fernwärme der Stadtwerke Kaiserslautern mit Wärme versorgt. Der Primärenergiefaktor der Fernwärme in Kaiserslautern liegt bei 0,3, jener von Erdgas im Vergleich bei 1,1.
  • Die Neuerrichtung einer PV-Dachanlage auf dem MVZ und einer PV-Dach- und PV-Fassadenanlage am angrenzenden Parkhaus zur CO2-neutralen Deckung des Anlagenstrombedarfes im Gebäude ist geplant.

Des Weiteren wurden die Außenwände mithilfe einer Innendämmung gedämmt, die Bodenplatte gedämmt und mehrere zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung (WRG) eingebaut. Auf dem Dach des MVZ ist eine nicht einsehbare PV-Anlage mit ca. 250 kWp geplant und das Holzparkhaus auf dem Nebengrundstück erhält eine ca. 300 kWp PV-Anlage – aufgeteilt auf die Fassade und das Dach.

In § 23 Abs. 1 GEG ist geregelt, dass „Strom aus erneuerbaren Energien, der im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zu einem zu errichtenden Gebäude erzeugt wird, […] bei der Ermittlung des Jahresprimärenergiebedarfs […] in Abzug gebracht werden“ darf. In § 50 Abs. 2 GEG wird diese Regelung auch auf Bestandsgebäude bezogen.

Der Stromertrag der Anlagen sowohl des Daches des MVZ als auch des angrenzenden Parkhauses kann zur Deckung des Strombedarfs von Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung, Kühlung und Beleuchtung angerechnet werden. Der unmittelbare räumliche Zusammenhang des Parkhauses ist nicht nur örtlich gegeben, sondern auch entscheidend für die Betriebserlaubnis, da dies für den Betrieb des MVZ eine Grundvoraussetzung darstellt.

Das System des Holzparkhauses, welches aus Buchenfurnierschichtholz gebaut ist, wurde von der Technischen Universität München entwickelt. Diese hochinnovative Bauweise zielt auf die langfristige Einlagerung von CO2 durch Nutzung von Holz im Bauwesen ab. Die Nutzung von Buchenholz im Bauwesen ermöglicht zudem eine Anpassung an die künftige Waldzusammensetzung, wenn die Fichtenbestände bedingt durch den Klimawandel, mittelfristig zu Laub-Mischwäldern umgebaut werden. Sowohl die Stützen als auch die Unterzüge und die Decken sind aus Buchenfurnierschichtholz gefertigt. Das Buchenfurnierschichtholz ermöglicht dank dessen Festigkeit kleinere Trägerquerschnitte als vergleichbares Fichten-Brettschichtholz und somit Materialeinsparungen sowie niedrigere Stockwerkshöhen, was bei mehrgeschossigen Gebäudekonstruktionen vorteilhaft ist. Zudem ist die erdberührende Bodenplatte aus recyceltem Beton gegossen und spart somit Ressourcen und CO2 bei der Betonherstellung.

Es ist eines der ersten Parkhäuser bundesweit, welches in Holzbauweise errichtet wird.

Im Bau befindliches Holzparkhaus. Stand Februar 2024. (Quelle: IfaS)

Inhalt

Bedeutung der Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden für den Klimaschutz


Denkmalgeschützte Gebäude in Rheinland-Pfalz und Deutschland


Rechtliche Rahmenbedingungen bei
der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude


Zirkuläres Bauen und Lebenszyklusanalyse im Kontext Denkmalschutz


Bauphysikalische und technische Aspekte bei der energetischen Sanierung denkmalgeschützter Gebäude


Förderung und Nachhaltigkeitszertifizierung


Photovoltaik an denkmalgeschützten Gebäuden

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